Die Strenggläubigen. Fundamentalismus und die Zukunft der islamischen Welt

Religion ist immer noch sehr wichtig, so könnte eine der zentralen Schlussfolgerungen aus Wilfried Buchtas jüngstem Buch „Die Strenggläubigen“ lauten. Im Gegensatz zu der überwiegenden Zahl der Islamexperten ist Buchtas religionsgeschichtlicher Ansatz überzeugender als die unzähligen Richtigkeiten seiner säkularen Mitkombattanten, die den Zerfall der Staatenordnung erst seit dem Scheitern des so genannten Arabischen Frühlings oder des US-Überfalls auf den Irak beginnen lassen.

Der Autor hingegen geht bis in Frühgeschichte des Islam zurück, und zwar auf das sunnitisch-schiitische Schisma im 7. Jahrhundert. Ein weiteres einschneidendes Datum ist die islamische Revolution in Iran 1979, die das Schah-Regime auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgte.  Buchta gehört zu den kompetentesten deutschen Islamkennern, insbesondere auch des Iran („Das politische System Irans“ oder „Who Rules Iran?“) und des Schiismus. Sein enormes historisches Wissen hat er im vorliegenden kompakten Essay für jeden Leser verständlich entfaltet. 

Für Buchta stellt das saudi-arabische Regime eine größere Gefahr für den Westen dar als Iran. Über die ganze Welt verstreut, finanzieren die Saudis die radikalste und fundamentalistische Variante des Islam, und zwar die habhabitisch-salafistische. Diese Form des Islam wird auch vom IS vertreten, der u. a. von den Saudis finanziell und militärisch unterstützt wird. Zu 98 Prozent sei die Ideologie des IS mit der der Saudis identisch, so Buchta.

Den Saudis wird neben einem anderen ausländischen Geheimdienst auch die Verantwortung für 9/11 zugeschrieben. Dass sich US-Präsident Donald Trump während seinen bizarren Besuches in dieser islamischen Diktatur auf die Seite der Saudis geschlagen hat, hängt mit den enormen Waffenkäufen und der Unterstützung Israels für dieses Regime zusammen. Die USA, Saudi-Arabien und Israel betrachten den Iran als die größte Gefahr und Förderer des „Terrorismus“, wobei diese „Axe des Bösen“ es ist, die weltweit Terror verbreitet.

Der Autor weist immer wieder auf den seit 1300 Jahren währenden Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten hin. Dies könne man im Irak, Syrien und Jemen beobachten. Insbesondere im Jemen führe Saudi-Arabien einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung und zeige sich unfähig, die Huthis zu besiegen, die über keine schwere Waffen verfügen, wohingegen Saudi-Arabien das ganze US-Waffenarsenal zum Einsatz bringt. Das saudische Regime begeht dort einen Völkermord.

Für das Aufkommen des sunnitischen Fundamentalismus macht der Autor die Verbindung von saudischem Wahabismus und den Lehren von Sayyid Qutb, dem Gründer der Muslimbruderschaft in Ägypten, verantwortlich. Die ideologische Expansion des saudi-arabischen Salafismus in Form des Dschihadismus werde durch Petrodollars finanziert.

Wilfried Buchta schreibt nicht aus einem Elfenbeintum heraus, sondern als intimer Kenner der Region, in der er 14 Jahre lang geforscht und gearbeitet hat.  Es geht bei dieser Auseinandersetzung nicht nur um die Ressource Öl, wie viele glauben machen möchten, sondern um religiöse und kulturelle Motive und Gegensätze, die die westlichen Beobachter längst aus dem Blickwinkel verloren haben.  Sieht  man einmal vom letzten Kapitel ab, das sich in Spekulationen bis zum Jahr 2026 ergeht, ist dieser Essay das Beste und Verständlichste über den Nahen und Mittleren Osten, was der Autor zu Papier bringen konnte. Das Buch trägt zu einem tieferen Verständnis der Region bei und sei allem Lesern anempfohlen.

 

 

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