„De mortuis nil nisi bene“ wird gemeinhin im Deutschen mit „über Tote solle man nur Gutes reden“ übersetzt. Die Schlagzeilen der deutschen Nachrufe überbieten sich in dieser Art von Lobhudeleien. Am Schlimmstes trieb es jedoch US-Präsident Barack Obama. Er pries Peres allen Ernstes als „einen Kämpfer für den Frieden“, in dessen Schuld Amerika stehe! „Als Amerikaner stehen wir in seiner Schuld.“ Es kommt aber noch Schwülstiger: „Ein Licht ist ausgegangen, aber die Hoffnung, die er uns gegeben hat, wird für immer brennen“, so Obama. Der US-Präsident sollte es eigentlich besser wissen, dass selbst der „Friedensengel“ Peres nur an einem Frieden zu Israels Bedingungen mit den Palästinensern interessiert war, nämlich der Unterwerfung der Palästinenser unter ein israelisches Friedensdiktat. Die Heuchelei Obamas wurde noch nur von der Benyamin Netanyahus übertroffen, der die „Friedenspolitik“ von Yitzhak Rabin und Peres auf das Schärfste bekämpft hatte. Und für den US-Vizepräsidenten Joe Biden wird die Welt „jetzt etwas dunkler“.
Nur zwei Deutsche, und zwar der Ex-Bundespräsident Christian Wulff und Charlotte Knobloch, Ex-Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, toppten noch die Beweihräucherung über Peres. „Er hat seine Zeit überstrahlt, mit seiner Empathie, seinem großen Herz, seiner Menschenfreundlichkeit und seinem Mut, seinem offenbar unerschütterlichen Glauben an die Möglichkeit des Guten. Shimon Peres hat gezeigt, was die Welt so überaus nötig hat und ihr gleichzeitig so schmerzlich fehlt.“ Oder Knobloch: „Er war Symbol für den zionistischen Traum.“ Dieser hatte sich aber für die Palästinenser als Alptraum entpuppt. Seine gesamte politische Tätigkeit war ein „Ringen um Frieden“. War er wirklich ein „kluger Hoffnungsträger, ein unermüdlicher Versöhner“? Wie es scheint, prägen solche illusionären Vorstellungen der Nachwelt das Image eines Politikers in der Öffentlichkeit über dessen Tod hinaus, obwohl die Realität, die er vor Ort zu verantworten hatte, nichts, aber auch gar nichts damit zu tun hatte. Die Würdigungen der offiziellen politischen Klasse bleiben hier unerwähnt, da sie im gleichen Tenor abgefasst sind.
Über den Werdegang von Peres ist alles geschrieben worden: Seinen Nimbus schöpfte er als Vertrauter von David Ben-Gurion; er war Hauptinitiator des israelischen Atomprogramms, Freund von CSU-Chef Franz Josef Strauß; er gab Intermezzi als zwischenzeitlicher israelischer Ministerpräsident; krönender Abschluss seiner langen Karriere war „Präsident von Israel“. In dieses Amt wurde er nicht vom Volk, sondern von israelischen Parlament, der Knesset, gewählt. Peres selbst ging immer nur als zweiter Sieger oder „ewiger Verlierer“ aus den Wahlen in Israel hervor. Ein wichtiger Grund: Die Israelis haben ihm zutiefst misstraut.
Ohne Umschweife kann behauptet werden, dass er bis zum letzten Atemzug der zionistischen Sache gedient hat, was nicht gleichbedeutend mit der Sache des Friedens mit den Palästinensern ist. Sein Image im Westen war immer das eines „Liberalen“ des „guten Israeli“, tatsächlich war Peres ein zionistischer Hardliner, der seine Vorstellungen in der Rhetorik der so genannten „Zionist Left“ verpackt hat. Prinzipiell sagte er nichts anderes als Ariel Sharon oder Netanyahu, sondern er trug es nur konzilianter vor. In diesem Punkt ähneln sich die vorgetäuschten Visionen von Peres mit den politischen Nachrufen der politischen Eliten in den USA und Deutschland.
In seinen verschiedenen politischen Funktionen setzte er sich auch immer für die Besiedlung der besetzten Gebiete ein. Nachdem sein „Friedenspartner“ Rabin im November 1995 von einem jüdischen Rechtsextremisten ermordet worden war, übernahm er bis zu seiner Wahlniederlage im Mai 1996 gegen Netanyahu das Amt des Ministerpräsidenten. Peres hatte niemals im israelischen Militär gedient, folglich musste er sich unter den Attacken Netanyahus als „starke“ Führungspersönlichkeit präsentieren.
Im Zuge der Operation „Früchte des Zorns“, die sich gegen den Hisbollah in Libanon richtete, bombardierte Israel im April 1996 den UN-Stützpunkt in Kana. Bei diesem Angriff kamen 106 Libanesen ums Leben, die gleiche Anzahl wurde verletzt. Wie üblich, bedauerte die Peres-Regierung das Massaker. Trotz dieses massiven Militäreinsatzes im Libanon verlor Peres die Wahlen gegen Netanyahu. Typisch für den Sphinx-haften Charakter von Peres kann sein angeblicher Ratschlag an den damaligen israelischen Verteidigungsminister Moshe Dayan vor Ausbruch des Juni-Kriegen von 1967 gelten, indem er Dayan einen bestimmten Vorschlag gemacht haben soll, der „die Araber abgeschreckt und den Krieg verhindert hätte“. Wie dieser grandiose Vorschlag ausgesehen habe, wollte er später partout nicht beantworten. Sein so genannter „Neue Nahe Osten“ war ein kolonialer, der nur den Interessen Israels diente, die jetzt von Netanyahu und seiner rechtsextremen Regierung in die Tat umgesetzt werden.
Peres bekam zwar zusammen mit Yitzhak Rabin und Yassir Arafat den Friedensnobelpreis für den so genannten Osloer Friedensprozess, aber auch andere ehemalige Terroristen wie Menachem Begin oder „Kriegsverbrecher“ wie Henry Kissinger haben sich mit dieser Auszeichnung schmücken dürfen. Selbst Barack Obama hat unmittelbar nach Amtsantritt diesen Preis für Nichts verliehen bekommen
Da zum Tode von Shimon Peres so viel Gutes und Schönes geschrieben worden ist, sollen diese Ausführungen nur der Vervollständigung des Bildes über diesen Politiker dienen.