Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) hat in kurzem Abstand zwei Bücher über „Linksextremismus“ veröffentlicht, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. „Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland“ wurde 2011 vom Leiter des Fachbereichs Extremismus, Ulrich Dovermann, herausgegeben. Das Buch war so erfolgreich, dass es bereits 2012 eine zweite Auflage erlebte. Danach verschwand es von der Website der BpB, obwohl es paradigmatisch für den Anspruch der BpB auf Ausgewogenheit stand.
Ersetzt wurde dieser Band durch „Linksextremismus in Deutschland“, der 2014 bei Springer erschienen ist. Verfasst hat ihn Armin Pfahl-Traughber, der langjährige Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln. Heute ist er Professor an der Fachhochschule des Bundes in Brühl, quasi vor den Toren des Verfassungsschutzamtes. Der Arbeitgeber beider Institutionen ist jedoch das Bundesministerium des Innern. Pfahl-Traughbers Ausführungen lesen sich wie wissenschaftlich verbrämte Berichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die mit politischer Bildung wenig zu tun haben. Sein Werk stellt quasi die Antithese zum Ausgewogenheitsanspruch der BpB dar.
Obgleich Pfahl-Traughber mit zwei Beiträgen im Sammelband der BpB vertreten war, fehlt selbst die Erwähnung des Bandes von Dovermann im Literaturverzeichnis seines Bandes aus dem Jahr 2014! Der Sammelband zum Linksextremismus war in dieser Form der erste, der in der BRD überhaupt erschienen ist. Pfahl-Traughbers Autorenschaft wurde erst durch den Eingriff einer höheren Stelle ermöglicht, da sonst der Band nicht erschienen wäre.
Wohingegen „Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland“ nicht nur durch seinen Meinungspluralismus hervorsticht, trägt Pfahl-Traughber mehr oder weniger voreingenommene Erkenntnisse des Verfassungsschutzes vor. Stellen fortan solche „Erkenntnisse“ das Non-plus-Ultra der politischen Bildung in der Bundesrepublik zum Linksextremismus dar?
Pfahl-Traughber hat bereits 1993 ein Buch über „Rechtsextremismus“ nach der Wende veröffentlicht. Sein 2015 als Lizenzausgabe von der BpB aufgekaufte und verbreitete Version verstehe sich quasi als eine „Ergänzung“ zur erstgenannten Schrift. Darin solle es um eine Darstellung und Einschätzung des „Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland fern von Dramatisierung und Verharmlosung gehen“, so der Autor im Vorwort 2013. Spielt er damit etwa auf den Sammelband der BpB an, in dem er selbst zwei Beiträge aufgrund „höherer Gewalt“ beisteuern durfte?
In seinem Beitrag über „Israelfeindschaft zwischen Antiimperialismus und Antisemitismus“ versuchte Pfahl-Traughber u. a. mit fadenscheinigen Quellen und Begründungen, Teilen der Linken antisemitische Neigungen zu unterstellen. Dabei bezieht er sich auf fragwürdige Quellen, die ein seriöser Wissenschaftler meiden sollte. Er erwähnt eine Debatte im Deutschen Bundestag vom 25. Mai 2011, in der von inkompetenten Schwadroneuren der anderer Parteien eine Distanzierung der Linkspartei von einem vermeintlichen Antisemitismus verlangt worden ist. Dass Vertreter der Partei „Die Linke“ überhaupt zu dieser öffentlichen Vorführung erschienen sind, zeugte von geringem politischen Gespür. Meine Kommentierung dieses Schmierentheaters wurde von Broders unsäglicher Achgut-Achse nach Erscheinen sofort kommentiert und tags darauf wurde ich von der BpB-Verwaltung zum Verhör einbestellt und erhielt eine „Abmahnung“. Soviel zur behaupteten Zivilcourage und Meinungsfreiheit der BpB unter Präsident Thomas Krüger.
Als eine weitere „seriöse“ Quelle für angeblichen Antisemitismus der Linken zitiert er die Verleumdungsschrift von Samuel Salzborn und Sebastian Voigt, in der diese behaupten, die Linke habe sich seit 2010 „affirmativ zum Antisemitismus positioniert“. Selbst die Universität Göttingen will den Agitator Salzborn nicht mehr als Professor weiterbeschäftigen. Wie er auf der Uni-Website mitteilt, endet seine Tätigkeit am 30. Juni 2017. Wer ein unsägliches Gefälligkeitsgutachten für die Amadeu Antonio-Stiftung der Ex-Stasi-Spitzelin Kahane fertigt, das eines Wissenschaftlers unwürdig ist, hat an einer Universität nichts verloren. Für ihn gibt es aber bestimmt einen Platz an der neuen „Universität“ in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten in der Westbank, an der er die faschistoiden Siedler in Demokratie und Toleranz gegenüber Arabern („Araber ins Gas“) unterrichten kann.
Auch die Teilnahme einiger Abgeordneter der Linkspartei an der Protestfahrt der „Gaza-Flotille“, mit der Hilfsgüter in den von Israel völkerrechtswidrig durch eine totale Blockade abgeriegelten Gaza-Streifen gebracht werden sollten, wird von Pfahl-Traughber als ein Indiz für einen vermeintlichen Antisemitismus ins Feld geführt. Dass der Autor allen Ernstes Parolen wie „Tod den Juden“ oder „Geht zurück nach Auschwitz“ als seriös präsentiert, die er nur von Hörensagen kennt, zeigt seine ideologische Intention. Selbst die Weigerung einiger Abgeordneter der Linken, die sich nicht zum stehenden Applaus nach der Rede von Shimon Peres im Bundestag erhoben haben, gilt ihm als ein Indiz für eine zwielichtige Haltung und als eine Art Israelfeindschaft. Wie es scheint, ging es dem Autor in diesem Beitrag darum, der Linken eine Indifferenz gegenüber Antisemitismus zu unterstellen.
Ähnlich gestickt ist „Linksextremismus in Deutschland“, der als großes Gefahrenpotential für den Bestand der Bundesrepublik dargestellt wird. Für die Bedeutung und das Gefahrenpotential spiele nach Meinung von Pfahl-Traughber die Partei „Die Linke“ eine „herausragende Rolle“ (S. 223). Letztendlich sei der Linksextremismus in Deutschland auch im Kontext der Existenz der Linkspartei zu sehen (S. 123). Heißt das im Umkehrschluss, dass es ohne die Linkspartei keinen Linksextremismus in der BRD gebe?
Pfahl-Traughber-Buch leistet keine differenzierte Bestandsaufnahme des Linksextremismus. Im Gegenteil, es wird ein Popanz aufgebaut, der der politischen Klasse dazu dienen kann, die Linkspartei zu dämonisieren. Gerade einen Beitrag zu dieser Dämonisierung wollte der Band von Ulrich Dovermann nicht leisten. Dass sich die Krüger-Behörde bewusst gegen den Band ihres ehemaligen Mitarbeiters entschieden hat und einem politischen Machwerk den Vorzug gibt, spricht jeder Ausgewogenheit Hohn. Aber davon kann unter dem Regime von Thomas Krüger schon seit Jahren keine Rede mehr sein.