Dieser Beitrag ist keine Satire, leider meint es der Spiegel-Online-Journalist Jan Fleischhauer ernst. Sein Meinungsbeitrag ist nicht nur rückwärtsgewandt, sondern er hat auch seit dem Sechstagekrieg von 1967 jegliche Berechtigung verloren. Seit diesem Zeitpunkt darf selbst eine deutsche Bundesregierung und jeder andere Staatsbürger auch, die Politik des Staates Israel kritisieren, so wie es gegenüber jeder anderen Regierung auch geschieht. Seit dem 7. Tag im Juni 1967 ist aus dem ehemaligen Opfer ein Täter geworden, aus einem David wurde ein Goliath, ein Unterdrücker und Okkupant eines anderen Volkes, und dies nun schon seit fast 50 Jahren. Darüber verliert dieser sogenannte aufgeklärte Journalist kein Sterbenswörtchen.
Was Fleischhauer unter dem Diktat der politischen Korrektheit von allen Deutschen fordert, nämlich „U-Boote liefern, Klappe halten“ oder wie der Autor seine Haltung begründet, sollten wir unsere U-Boote liefern, „wenn wir darum gebeten werden“, aber ansonsten sollten wir den Mund halten. Der Aufhänger für Fleischhauers schrägen Artikel ist die Reise von Außenminister Sigmar Gabriel und dessen Ausladung zu einem Treffen mit Benjamin Netanyahu, weil er zuvor die Vertreter zweier Menschrechtsorganisationen, und zwar „Breaking the Silence“ und „B’Tselem“ getroffen hat,[3] um sich über die katastrophale Lage der Menschenrechte in den von Israel besetzten Gebieten zu informieren.
Dass den Deutschen der Nahostkonflikt nichts angehe, kann nur jemand behaupten, der von der Materie keine Ahnung hat oder bewusst zionistische Desinformation verbreiten will. Der Holocaust an der Judenheit Europas war ein kolossales Verbrechen, aber daraus abzuleiten, gegenüber der Politik der israelischen Regierung die „Klappe zu halten“, würde bedeuten, jedem Deutschen das moralische Recht auf Kritik an Israel abzusprechen. Dies würde zwar der zionistischen Israellobby zupasskommen, wäre aber als Schlussfolgerung für einen Beitrag eines SPON-Journalisten ein Armutszeugnis. Und niemand hat Gabriel als Held gefeiert, am wenigsten er sich selber. Er hat den Affront durch Netanyahu heruntergespielt, eine typisch deutsche Haltung.
Nach seiner mutigen Charakterisierung des Apartheid-Regimes bei seinem Besuch in Hebron 2012, das Israel in den besetzten Gebieten errichtet hat, musste Gabriel vor dem Zentralrat der Juden in Deutschland zu Kreuze kriechen und Abbitte leisten. „Ich war gerade in Hebron. Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt.“ Könnte dies nicht auch ein Grund dafür gewesen sein, dass Gabriel den Ball bewusst flach gehalten hat, als ihm Netanyahu politisch vors Schienbein getreten hat?
Fleischhauer bedient sich immer wieder einer Art „Broder-Arguments“, dass die Deutschen nicht die Verletzung der Menschenrechte in Iran, Saudi-Arabien, China oder in unzähligen Staaten der Welt kritisierten, sondern geradezu obsessive immer nur in Israel. Dass die Deutschen und ihre unsägliche Große Koalition Weltmeister in Moral und der Schulmeisterei anderer Länder sind, ist allseits bekannt. Dies ist neben dem Fußball, die andere „Stärke“ Deutschlands – eine arrogante und dämliche Haltung. Gleichwohl tragen die Verbrechen der Nazis einen erheblichen Anteil an der Tragödie des palästinensischen Volkes, obgleich Israel auch ohne den Holocaust gegründet worden wäre. Wenn wir schon Israel als Teil unserer „Staatsräson“ erklärt haben, gebührt den Palästinensern der andere Teil.
Wie naiv ist Fleischhauer eigentlich, um anzunehmen, es ginge um Moral und Verantwortung, wo es doch ausschließlich ums Geschäft geht. So wie wir bei Südafrika die Klappe gehalten haben, obwohl bekannt war, dass Israel insgeheim mit dem rassistischen Regime in Südafrika in Nuklearfragen sehr eng kooperiert und dieses Regime massiv unterstützt hatte, sollen wir heute wieder die „Klappe halten“, wenn Israel ein anderes Volk seit fünfzig Jahren unterdrückt, stranguliert und kolonisiert. Dies ist Sklavenmoral, Herr Fleischhauer!
Ein weiteres neokonservatives und perfides Argument wird von Fleischhauer vorgetragen. „Die Palästinenser sind vermutlich die am höchsten subventionierte Gruppe der Welt.“ Auch hier zeigt sich, wie ahnungslos der Autor ist. Er hat wohl Israel vergessen, dass von den USA mit 3,8 Mrd. US-Dollar jährlich finanziell gepäppelt wird, von den deutschen Zahlungen und U-Boot-Geschenken, den zusätzlichen Alimentierungen der US-Regierung außer der Reihe und der weltweit finanziellen Unterstützung durch die zionistischen Israellobbies gar nicht zu reden.
Wir sollten die letzten sein, um Friedenspläne für Palästina zu schmieden, meint Fleischhauer, da es genug andere Länder gebe, die keine „sechs Millionen Juden auf dem Gewissen haben“. Pazifismus stehe uns als „Exportartikel“ schlecht zu Gesicht. Obgleich niemand deutschen Pazifismus exportieren will, da wir uns an unzähligen Kriegen beteiligen, wofür Joschka Fischer ursächlich die Verantwortung trägt, hat die Merkel-Regierung in der Tat mit den Auswirkungen ihrer unverantwortlichen Willkommenskultur alle Hände voll zu tun. Wer die israelische Psyche kennt, weiß, dass die politische Klasse am wenigsten geneigt ist, von Deutschen belehrt zu werden, und dies schon gar nicht von einem „Weltmeister“ in Sachen Moral.
Die SPON-Autoren meinen, zu jedem Thema ihren Senf hinzugeben zu müssen. Fleischhauers Beitrag zeigt, wie überfordert diese Vielschreiber sind. Deutschland ist weder Israel noch sonst einem anderen Staat verpflichtet, sondern ausschließlich der Erhaltung des Friedens und der Freiheit eines jeden Volkes, insbesondere des palästinensischen. Deshalb sollten wir uns aus allen Aggressionskriegen zurückziehen und keine Waffen weder an Saudi-Arabien noch an Israel liefern, da beide Staaten diese zur Unterdrückung anderer Völker missbrauchen.
‚Israel kritisieren‘ ist wohl eine Vernebelungsfloskel, wenn Folter, Apartheid, Rassismus in Israel aufgedeckt und verurteilt wird.